Nach monatelanger Urlaubsplanung und langem Hin- und Herüberlegen – was sich bei einer fünfköpfigen Familie als nicht wirklich einfach gestaltet – einigte man sich schließlich auf Camping in Südfrankreich. Um allen Ansprüchen gerecht zu werden, legten wir also drei Etappen fest, die innerhalb von drei Wochen abgefahren werden sollten, damit jeder auf seine Kosten kommen würde. Gesagt getan. Die geplante Abfahrt sollte um sieben Uhr morgens stattfinden, wobei allen Beteiligten schon von Beginn an klar war, dass sich dieses utopische Vorhaben nur schwer in die Tat umsetzen lassen würde. Schließlich mussten doch immer die restlichen Decken, Kissen und Zeltplanen in letzter Minute zusammengesucht und eingepackt werden
Als es endlich losging, waren vier Stunden seit der geplanten Abfahrtszeit vergangen – so saßen alle um elf Uhr im Auto, immerhin mit der Garantie, dass nichts fehlte, da zuvor alles mindestens zehnmal kontrolliert worden war. Die zweitägige Reise gestaltete sich zu dritt auf der engen Rückbank äußerst zäh, was nicht zuletzt an der langen Fahrt und den harten Sitzen lag.
Schon auf der Hinfahrt begleitete uns eine ständige Regenwolke, der wir nicht entfliehen konnten, egal, wie weit südlich wir noch fuhren. So sorgte das Wetter während des gesamten Hinwegs für nicht wirklich gute Laune im Auto.
Noch immer kein Erbarmen des Wettergottes
Wir kamen unserem ersten Ziel, dem Lac de Sainte-Croix, einem See mitten im Nationalpark von Verdon, immer näher, und dennoch blieb das Wetter unverändert schlecht. Selbst im Süden von Frankreich scheint es also keine Garantie für Sonnenschein zu geben.
Von den scheinbar endlosen Serpentinen wurde uns auf der Rückbank ganz übel. Zudem machte sich um die Mittagszeit bei uns allen ein leerer Magen bemerkbar, denn wir hatten schon seit Längerem keine Pause mehr eingelegt. Die dunklen Wolken hingen schwer in den Gipfeln der bedrückend wirkenden Berge und Felswände um uns herum. Nichts schien darauf hinzudeuten, dass sich das seit der Abfahrt anhaltende, schlechte Wetter verziehen würde.
Als wir an einer Raststätte hielten, setzten wir uns in das angrenzende Restaurant, um über dem überteuerten Essen die Situation zu beratschlagen. Die Stimmung war inzwischen so im Keller, dass wir überlegten, unser eigentliches Ziel links liegen zu lassen und stattdessen noch weiter in den Süden, in Richtung Spanien, zu fahren. Da wir jedoch schon so weit gekommen waren, wollten wir kurz vor dem Ziel nicht aufgeben.
Und tatsächlich: Nach weiteren 30 Minuten Fahrt riss die Wolkendecke endlich auf und gleißendes Sonnenlicht durchflutete das Auto, was allgemein die Stimmung schlagartig verbesserte. Alle zehn Minuten sahen wir am Straßenrand Obsthändler stehen, die gold-gelbe, saftige Pfirsiche anboten, und endlich kam bei uns Urlaubsstimmung auf. Als wir schließlich aus dem klimatisierten Auto ausstiegen, schlug uns die heiße Luft auch schon entgegen. Vor uns lag, türkisblau glitzernd und eingebettet in eine raue Felslandschaft, der See.
Entspannen am See
Endlich beim Campingplatz angekommen, machten wir uns sofort ans Auspacken. In der sengenden Nachmittagshitze suchten wir Lebensmittel, Zelte und Gepäck zusammen. Hier hatte es eindeutig lange Zeit nicht geregnet. Der Boden der Region war derart trocken, dass wir statt den Heringen riesige Schrauben und einen Akkubohrer verwendeten, um unsere Zelte am Boden zu befestigen. Zudem befanden sich überall Hydranten und Hinweisschilder, auf denen vor Waldbrandgefahr gewarnt wird. Auch auf den Campingplätzen sind deshalb offene Feuer verboten.
Als am frühen Abend alles aufgebaut war, schnappten wir uns die Badesachen und gingen hinunter zum See. Der Lac de Sainte-Croix liegt, inmitten der Hügel und groben Felsen des Regionalen Naturparks Verdon, am Fuß einer Anhöhe, auf der sich der Campingplatz befindet. Der See ist ein Anziehungspunkt für viele Wassersportler: Wind-, Kitesurfer und Kajakfahrer stehen hier oft schon im Morgengrauen auf und sind noch vor den ersten Badegästen auf dem Wasser.
Von den Temperaturen, die nachts in den Bergen auf bis zu 10°C fielen, bemerkte man schon am frühen Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen nichts mehr. Innerhalb kürzester Zeit heizte sich das Innere der Zelte so sehr auf, dass man es im Schlafsack, der nachts Wärme spendete, nicht mehr aushielt und gezwungen war, zeitig aufzustehen. Dann blieb oft jedoch nur eine kurze Zeitspanne zur Verfügung, um beim Bäcker im angrenzenden Ort Baguette zu holen und zu frühstücken, bevor die Sonne wieder im Zenit stand und die Mittagshitze alles auf dem Tisch zum Schmelzen brachte – und uns derart lähmte, dass man die Mittagsstunden nur im Schatten aushielt. Nachmittags gingen wir oft, mit den Feigen und Pfirsichen im Gepäck, die hier an jeder Straßenecke wachsen, hinunter zum See, bei dem man beobachten konnte, wie die Surfer über das Wasser glitten.
Nachdem wir uns bei einem Bootsverleih Kajaks ausgeliehen hatten, ging es für uns auf dem See in die Richtung, wo der See in einen Fluss mündete, der sich durch hohe Felsformationen durch den Nationalpark weiter in die immer höher werdenden Berge hinein schlängelte. Beim Paddeln fiel es uns schwer, unseren Blick von den uns umgebenden, mächtigen Felsen abzuwenden, die angenehm Schatten spendeten. Schließlich kamen wir an eine Stelle, an der es nicht mehr weiter ging, da ab hier das Naturschutzgebiet anfing. Vor einigen Jahrzehnten war es an diesem Ort noch möglich gewesen, dem Flussverlauf weiter zu folgen, doch durch Müllreste und Abfälle der Badegäste an den Flussufern wurde der restliche Weg gesperrt.
Nächste Station: Mittelmeer
Ganz in der Nähe unserer ersten Etappe, knapp zwei Autostunden entfernt und direkt am Mittelmeer, liegt die Hafenstadt Hyères, die unser zweites Ziel werden sollte. Hierfür hatten wir uns einen Campingplatz direkt am Wasser herausgesucht. Die Fahrt gestaltete sich durch die kurze Dauer als nur wenig nervenaufreibend. Die Straße, die an der Küste entlang zu unserem Platz führte, säumten Feigenbäume und blühende Passionsblumengewächse.
Wir hatten wie immer im Voraus nichts gebucht und hofften, auch so einen Platz ergattern zu können. Der Campingplatz lag im Schatten von duftenden Eukalyptusbäumen und auf trockenem, staubigem Untergrund. Überquert man vom Platz aus die kleine Straße, von der wir gekommen waren, führt ein schmaler Pfad zum direkt angrenzenden Ufer. Zu beiden Seiten erstreckt sich die kilometerlange Küste aus vielen, nebeneinanderliegenden Buchten mit einzelnen Sandstränden, die grobe Felsen trennen. An den Felsformationen, welche sich auch weiter ins Wasser ziehen und Unterwasser außerirdisch wirkende Landschaften formen, sind beim Schnorcheln Fische, korallenartige Pflanzen, Seesterne und glitzernde Muscheln zu sehen, weshalb die felsige Küste am Mittelmeer zum Tauchen besonders gut geeignet ist.
Neben engen Gassen, schmiedeeisernen Balkongeländern und alten Steinwänden in der Altstadt von Hyères prägen Palmen und Limettenbäume das Stadtbild, was einen interessanten Kontrast zwischen der mittelalterlichen Architektur und Geschichte der Stadt und den tropisch anmutenden Pflanzen bildet. In den schmalen, kühlen Gassen befinden sich viele kleine Souvenir- und Schmuckstände, Seifenmanufakturen, hübsche Restaurants und Cafés. Das Labyrinth aus verwinkelten, engen Wegen zwischen den hohen, mittelalterlichen Häusern aus Stein bietet an jeder Ecke ein Fotomotiv.
Da Hyères fast direkt am Wasser liegt, empfiehlt es sich nachmittags, wenn die Mittagshitze in allzu drückende Temperaturen übergeht, einen Abstecher zum Meer zu machen.
Der Strand von Almanarre zieht sich weißleuchtend fast die gesamte Straße hinunter bis zur Halbinsel Giens, die durch einen dünnen Landstrich mit dem Festland verbunden ist. Hier kann man die Segel der Kite- und Windsurfer beobachten, die von Weitem nur als schwebend bunte Punkte in dem satten Blau zu erkennen sind.
Zur höchsten Wanderdüne an die Atlantikküste
Als sich auch diese Etappe dem Ende neigte und alle Sachen im Auto verstaut waren, fuhren wir weiter in Richtung Westen zur Atlantikküste, wo unser drittes und somit letztes Ziel auf uns wartete: Die Dune du Pilat ist die höchste Wanderdüne Europas und liegt bei Arcachon, direkt am Atlantik.
Nach gut acht Stunden Fahrt fingen die Straßen unter uns an, langsam sandig zu werden. Statt Obstbäumen wuchsen nun Kiefern am Straßenrand und auch die Temperaturen waren merklich gesunken, was im Vergleich zu der oft kaum aushaltbaren Hitze am Mittelmeer für alle eine willkommene Abwechslung war.
Der gesamte Campingplatz befand sich in einem Wald aus hohen Kiefern, welche ein natürliches Sonnensegel spannten und angenehmen Schatten spendeten. Da der Platz direkt an die riesige Düne grenzte, führten die schmalen Sandwege zwischen den Zelten und Caravans hindurch, direkt zum Fuß der Düne.
Über eine im Sand befestigte Strickleiter konnte man die erste Anhöhe problemlos erklimmen. Von da an braucht es dann allerdings noch ein wenig mehr körperliche Anstrengung, Wadenmuskeln und Zeit, bis man zur Spitze des riesigen Sandhügels gelangt, wobei das Laufen im losen Sand das Unterfangen nicht gerade erleichtert.
Die Düne dehnt sich nach allen Seiten hin so weit aus, dass man aus einem bestimmten Blickwinkel meinen könnte, inmitten einer Wüste zu stehen. Zudem erstreckt sich auf einer Seite der Düne direkt das Meer, auf der anderen der angrenzende Kiefernwald. Ein Anblick, wie er beeindruckender und kontrastreicher nicht sein könnte.
Die Anhöhe wird von vielen Paraglidern als Startpunkt für den Absprung genutzt, da diese von oben aus eine atemberaubende Panoramaperspektive auf die drei aufeinandertreffenden Farben von Wasser, Sand und Wald haben. Steht man auf der Düne, kann man die Paraglider oft aus nächster Nähe beobachten, wobei der Vorbereitungsprozess und die Ausrüstung unverhältnismäßig aufwendig wirken für die kurze Zeit, in der sich diese dann tatsächlich in der Luft befinden. Unten auf dem Wasser nutzen viele Surfer den Wind und die rauen Wellen des Atlantiks aus, um über das Wasser zu gleiten.
Am Tag nach unserer Ankunft nahmen wir uns vor, die Düne in ihrer vollen Länge zu erkunden. Da wir schon morgens wieder einmal viel zu lange brauchten, uns überhaupt auf den Weg zu machen, gelangten wir dabei in die direkte Mittagshitze. Die knappe Länge von 3 Kilometern kommt einem mindestens doppelt so lang vor, wenn man in der sengenden Sonne im losen Sand versucht, von der einen Seite der Düne zur anderen zu gelangen. Da nur ein Teil meiner Familie mitgekommen, und der andere lieber im Schatten der Zelte liegengeblieben war, waren wir nur zu dritt unterwegs. Irgendwann verlor meine kleine Schwester den Anschluss zur restlichen Gruppe. Zwei Stunden, ein durchgeschwitztes T-Shirt später und ein paar hundert Nerven weniger fanden wir sie endlich wieder.
Nach einem ausgiebigen Restaurantbesuch im nächsten Ort, um auf den gelungenen Urlaub anzustoßen, begleiteten uns leise Unterhaltungen, Lachen und Musik in der letzten Nacht beim Einschlafen, bevor wir am nächsten Morgen noch vor den ersten Sonnenstrahlen unsere Sachen packten, um uns endgültig auf den Weg nach Hause zu machen.