Hyänen, Leoparden und Pillendreher: auf den Spuren von Bernhard Grzimek durch die Serengeti

Das große Tor mit der Aufschrift „Serengeti shall never die“ liegt noch nicht weit hinter uns, als wir unsere erste eher traurig stimmende Tiersichtung im weltberühmten Nationalpark in Tansania haben: eine tote Gazelle liegt auf der Piste. Wahrscheinlich wurde sie von einem Lkw überfahren, vermutet unser einheimischer Guide Gabriel. Wir fahren weiter. Nach ein paar hundert Metern bremst Gabriel abrupt. Am Straßenrand stehen zwei Hyänen, die in Richtung der toten Gazelle schnüffeln. Als sie sich in Trab setzen, legt Gabriel den Rückwärtsgang ein und fährt zurück. Der Kadaver liegt inzwischen im Straßengraben und wird von einer ganzen Horde Hyänen lautstark in mundgerechte Stücke zerteilt. Am Himmel über uns schweben die ersten Geier ein, einige vorwitzigere Aasfresser versuchen vergeblich, den Hyänen ihre Beute streitig zu machen. Immer mehr Hyänen kommen angelaufen und wollen etwas von der Mahlzeit abhaben. Dabei kommunizieren sie lautstark mit dem typischen „Lachen“ miteinander, es wird aber auch grimmig geknurrt, wenn ein rangniedrigeres Tier versucht, einen Bissen zu ergattern. Nach etwa einer halben Stunde ist von der Gazelle so gut wie nichts mehr übrig. Eine Hyäne trägt den Kopf des Kadavers wie eine Trophäe im Maul weg, im Straßengraben picken die Geier die letzten Stückchen Fleisch auf. Was für ein eindrucksvolles Erlebnis gleich zu Beginn unserer Safari in Tansania!

Eingang zum Serengeti National Park in Tansania

Mythos Serengeti

Serengeti – schon allein bei der Erwähnung dieses Namens ziehen riesige Zebra- und Gnuherden vor unserem geistigen Auge vorbei, denken wir an imposante Elefanten, dösende Löwen, spielende Paviane und aufgeregte Warzenschweine. Und sicherlich auch an den berühmten Film „Serengeti darf nicht sterben“ von Bernhard und Michael Grzimek, der 1960 den Oscar für den besten Dokumentarfilm bekam. Professor Bernhard Grzimek ist es zu verdanken, dass es den Serengeti-Nationalpark und all die Tiere dort heute noch gibt und wir sie auf einer eindrucksvollen Safari hautnah erleben können.

Unsere Reisegruppe besteht aus drei Jeeps, in denen jeweils sechs Personen plus Guide sitzen, jeder hat einen Fensterplatz, und meistens fahren wir mit hochgestelltem Dach, sodass wir einen guten Blick auf Tiere und Landschaft haben.

Die größte Huftierwanderung der Erde

Am nächsten Tag sehen wir auf unserer Fahrt durch den Western Corridor der Serengeti immer mehr Gnus, Zebras, Gazellen und Antilopen auf beiden Seiten der schnurgeraden Piste. Bis zum Horizont sind überall kleine braune Punkte zu sehen, es müssen Tausende, wenn nicht sogar Hunderttausende Tiere sein. Sie ziehen das ganze Jahr über durch die Serengeti, immer dem Regen hinterher. Es ist eine der größten Tierwanderungen der Erde – und wir sind mittendrin!

Safari im Serengeti Nationalpark in Tansania

Trotz dieser unglaublich großen Anzahl an Tieren ist es sehr still um uns herum. Nur hin und wieder ist das tiefe Muhen eines Gnus zu hören oder die etwas höhere Stimme eines Jungtiers, das nach seiner Mutter ruft. Die Gnus, Zebras und Gazellen grasen ganz entspannt und ziehen dabei fast unmerklich ständig weiter. Ab und zu setzen sich einige Tiere wie auf ein geheimes Zeichen hin in Trab und laufen vor unserem Jeep über die Piste, dann grasen sie ruhig weiter. Ein Zebra legt den Kopf fast zärtlich auf den Rücken eines anderen Zebras. Die beiden bleiben eine ganze Weile so stehen, bis auch sie schließlich weiterziehen.

Zebras im Serengeti National Park

Als wir ein paar Tage später die gleiche Strecke entlangfahren, sind kaum Tiere zu sehen. Unser ausgebildeter Wildtierguide Gabriel hat – wie so oft auf dieser Safari – ein gutes Gespür dafür gehabt, wann er mit uns wohin fahren muss, um uns unvergessliche Erlebnisse zu bescheren. Und er hat unglaublich gute Augen. So sieht er nicht nur die tote Antilope, die in der Astgabel eines Baumes hängt, sondern erspäht natürlich auch den Leopard, der sie dorthin getragen hat, in der Baumkrone. Wir haben selbst mit dem Fernglas einige Mühe, die gefleckte Raubkatze im dichten Laub auszumachen.

Blick für die kleinen Dinge

Dabei sind es gar nicht immer unbedingt die legendären Big Five – Elefant, Büffel, Löwe, Leopard und Nashorn –, die unsere Aufmerksamkeit erregen. So beobachten wir amüsiert und fasziniert zugleich einen Pillendreher, der seine riesige Mistkugel, auf der das Weibchen sitzt, minutenlang scheinbar planlos kreuz und quer über die Piste rollt, oder zwei Leopardschildkröten, die sich, so schnell es eben als Schildkröte möglich ist, im hohen Gras einen ungestörten Ort für die Paarung suchen. Nicht zu vergessen all die schönen, bunten Vögel, die überall in den Bäumen sitzen oder auf dem Boden nach Insekten picken. Oder die zwei Dikdiks, scheue Zwergantilopen, die morgens kurz nach Sonnenaufgang vor der Veranda meines Zeltes in der Lodge aus dem Gebüsch kommen und sich an den frischen Blättern gütlich tun.

Bedrohtes Paradies

Doch so idyllisch das alles vom Jeep aus aussieht, auch dieses scheinbare Paradies ist bedroht. Das wird uns im Zentralcamp der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) in der Zentralserengeti bewusst. Dass wir die Station besuchen dürfen, die normalerweise nicht für Touristen zugänglich ist, haben wir unserem Reisebegleiter Professor Henning Wiesner zu verdanken: Der Tierarzt, ehemalige Direktor des Münchner Tierparks Hellabrunn und Naturschützer hat seit Langem eine enge Verbindung zur ZGF und dessen Geschäftsführer Dr. Christof Schenck.

Gnus soweit das Auge reicht.

Auf dem Hof der Station zeigt uns Kibu Edwards von der ZGF dann große Metallschlingen, die aus alten Autoreifen hergestellt werden. Rund 5000 solcher Schlingen haben die Ranger in nur zwei Monaten in der Serengeti gefunden, erzählt uns Kibu. Dabei sind die Wilderer meist nicht auf das hochbezahlte Elfenbein von Elefanten oder die Hörner der Nashörner aus. Vielmehr sind es Menschen, die in den Dörfern nahe des Nationalparks leben und die mit diesen Schlingen Antilopen und andere Huftiere fangen Das Fleisch verkaufen sie dann, um etwas Geld für ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Um die Wilderei einzudämmen und den Menschen eine Perspektive zu geben, engagiert sich die ZGF für die Schaffung von Jobs außerhalb des Nationalparks.

Im Ngorongoro-Krater

Ein weiteres Ziel unserer Reise ist der berühmte Ngorongoro-Krater. Schon der Blick vom Kraterrand ist eindrucksvoll. Wälder, Grasland, ein Salzsee – in dem riesigen Kessel mit einem Durchmesser von 17 bis 21 Kilometern gibt es unterschiedliche Lebensräume und dementsprechend viele verschiedene Tierarten. Hier kann man mit etwas Glück auch noch Spitzmaulnashörner sehen. Doch es ist kaum zu glauben, wie schwierig es ist, diese von Wilderern stark dezimierten Tiere zu finden, obwohl ein Nashorn, das rund zweieinhalb Tonnen wiegt, ja nicht gerade klein ist. Außerdem wird unsere Aufmerksamkeit immer wieder von all den anderen Tieren abgelenkt, an denen wir vorbeifahren: Strauße, Kronenkraniche, Elefanten, schlafende Löwen, Büffel. Und dann läuft am Straßenrand eine kleine lustig aussehende Schar entlang. Die Tiere sehen aus wie einer Art Fuchs, aber mit großen Ohren. „Das sind Löffelhunde“, erklärt unser Guide Gabriel und zückt sein Handy, um Fotos zu machen. „So nah an der Piste sieht man sie selten, und noch dazu am Tag.“ Denn Löffelhunde sind eher dämmerungs- oder nachtaktiv. Wir beobachten die putzigen Tiere noch eine Weile beim Herumtollen, bevor wir die Steppe wieder nach Nashörnern absuchen.

Blick in den Ngorongoro-Krater

Natürlich ist es auch diesmal wieder Gabriel, der den unscheinbaren grauen Fleck in der Ferne als Nashorn identifiziert. Zunächst sieht es so aus, als sei das minutenlang bewegungslos im Gras stehende Tier noch sehr jung. Professor Wiesner befürchtet, die Mutter könne von Wilderern getötet worden sein. Das würde bedeuten, dass das junge Nashorn kaum eine Überlebenschance hätte. In unserem Jeep ist es plötzlich ganz still. Die Freude, eines der letzten Spitzmaulnashörner zu sehen, hat sich in spürbare Anspannung gewandelt. Doch dann geht das Tier ein paar Schritte nach vorn – und schon wirkt es ein ganzes Stück größer. Es stand wohl in einer Senke und ist ein junger Bulle, der schon alleine klarkommt, bestätigt der Professor nach einem Blick durchs Fernglas. Hörbares Aufatmen im Jeep, alle sind erleichtert!

Dann gibt Gabriel Gas, denn bis spätestens 18 Uhr müssen wir den Krater verlassen haben, und die Sonne steht schon ziemlich tief.

Am Grab der Naturschützer

Bevor wir uns wieder auf den Weg zum Flughafen in Arusha machen, halten wir am nächsten Tag noch kurz am Gedenkstein für Michael und Bernhard Grzimek am Rand des Ngorongoro-Kraters, wo die beiden Naturschützer auch begraben sind.

Ein Stück weiter ist direkt neben der Straße eine kleine Elefantenherde unterwegs. Sie ziehen gänzlich unbeeindruckt von all den Jeeps, die auf der Straße anhalten, weiter. Es sind auch einige Jungtiere dabei, wobei wir das kleinste fast nicht sehen können, da die erwachsenen Elefanten es immer in die Mitte nehmen. Wir drücken die Daumen, dass es selbst das Erwachsenenalter erreicht und irgendwann einmal zum Erhalt dieser bedrohten Art beitragen kann. Damit auch kommende Generationen noch solche eindrucksvollen Safaris unternehmen können.

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