Kreuzfahrten boomen, und mit diesem Trend erfreuen sich auch die früher wenig populären Überführungs- oder auch Repositionierungskreuzfahrten wachsender Beliebtheit. Die Reedereien fördern die zusätzlich, indem sie versuchen, auch für diese Touren ein halbwegs attraktives Routing aufzulegen. Hauptargument ist und bleibt aber zumeist der Preis, der – wenn man Glück hat – einen fast schon lächerlichen Bruchteil eines normalen Kreuzfahrttarifs betragen kann.
Was sind Überführungskreuzfahrten?
Kreuzfahrtschiffe sind oft nur für eine Saison in einer bestimmten Region positioniert. Wenn sich zum Beispiel im Mittelmeerraum der Sommer allmählich dem Ende entgegen neigt, verlegen die Reedereien viele Schiffe auf der Jagd nach warmem Wetter in die Karibik, nach Südamerika, in die arabische Welt, nach Asien oder in den Indischen Ozean. Eine andere klassische Route für eine Überführungskreuzfahrt verläuft entlang der westeuropäischen Küste und bringt das Schiff im Spätsommer von Nord- und Ostsee ins Mittelmeer beziehungsweise umgekehrt im Frühling. In jedem Fall findet eine Überführung oder auch Repositionierung des Schiffes von A nach B statt. Im Englischen werden neben Repositioning Cruise teilweise auch Begriffe wie Relocation oder Transition Cruise verwendet. Damit sind Überführungskreuzfahrten per Definition keine Rundreise, sondern immer One-Way-Fahrten, was es bei der Planung für die An- und Abreise zum/vom Schiff zu beachten gilt.
Häufig sind Überführungskreuzfahrten auf den ersten Blick weniger reizvoll, da unterwegs nicht viele Häfen angelaufen werden und diese mitunter nicht gerade für exorbitant tolle Ausflugsmöglichkeiten bekannt sind. Auch ist zu bestimmten Zeiten auf manchen Strecken mit unruhiger See zu rechnen. Da die Fahrt aber in jedem Fall stattfinden muss, freuen sich die Reedereien über jeden zahlenden Passagier an Bord und senken den Reisepreis. Manchmal sogar recht massiv! So sind mit etwas Glück fast schon absurde Schnäppchen wie eine 16-tägige Reise mit Vollpension in der Außenkabine für 450 Euro pro Person (plus Trinkgeld) möglich. Doch selbst wenn nicht jede Überführungskreuzfahrt zu einem so außergewöhnlichen Preis angeboten wird, liegen die Tarife doch oft merklich niedriger als bei klassischen Kreuzfahrten. Es gibt also viel Kreuzfahrt für verhältnismäßig wenig Geld.
Die etwas andere Kreuzfahrt
Da der Hauptzweck der Fahrt die Verlegung des Schiffes ist, stehen auf vielen Routen deutlich mehr Seetage auf dem Reiseplan, als es bei normalen Kreuzfahrten üblich ist. Auch wenn die Reedereien das ein oder andere Zwischenziel ansteuern, können bei einer Atlantiküberquerung schon mal neun Seetage zusammenkommen – für manche eine paradiesische Vorstellung, da sie sich endlich mal so richtig erholen und Bücher lesen können; für andere der pure Horror, da sie ohne die täglichen Landgänge eine gähnende Langeweile fürchten. Hinzu kommt, dass aufgrund der Entfernung, manche Fahrten auf einen deutlich längeren Zeitraum ausgelegt sind und durchaus 14 Tage und mehr dauern können.
Übrigens: Wer sich für eine Atlantiküberquerung entscheidet, erlebt eine kleine Besonderheit. Da auf der Fahrt mehrere Zeitzonen durchquert werden, sind bei der Reise von Europa nach Amerika die meisten Tage an Bord 25 Stunden lang, in der Gegenrichtung hingegen nur 23 Stunden. Im Gegensatz zur Flugreise ist hier die Wahrscheinlichkeit eines Jetlags äußerst gering.
Früher wurden bei Überführungsfahrten die Tage auf hoher See primär für eine intensive Wartung und Pflege des Schiffs genutzt, was sich entsprechend auf das Bordleben auswirkte. Das ist so heute nicht mehr möglich. Stattdessen führte das wachsende Interesse der Kunden dazu, dass das Unterhaltungsangebot an Bord genauso umfangreich ist wie bei einer normalen Kreuzfahrt der Reederei. Hier wird es vor allem interessant, welche Leistungen im Reisepreis bereits inbegriffen sind, denn wer mehr Zeit auf dem Schiff verbringt, kann dort entsprechend viel Geld ausgeben – für Getränke, Massagen, Kosmetikbehandlungen, den Golfsimulator, Roomservice, den Bordfotografen, in den Bezahl-Restaurants, im Spielkasino, in den Shops … Getränkepakete oder All-Inclusive-Angebote der Reedereien helfen dabei, das Reisebudget unter Kontrolle zu behalten.
Nicht für jeden geeignet
Auch wenn die Hardware, das Schiff und Bordservice, identisch ist, unterscheiden sich die Überführungskreuzfahrten von den „normalen“ Kreuzfahrten gleich in einer ganzen Reihe von Punkten und sind daher nicht für alle Freunde der gepflegten Hochseereise geeignet:
Hohe Anzahl der Seetage
Diese sind nicht jedermanns Sache. Wo die einen die Zeit nutzen, um den Stapel an ungelesenen Büchern abzuarbeiten oder sich an der unendlichen Weite des Ozeans ergötzen, wird es anderen an Bord schnell zu eng. Mit einem ausgefeilten Unterhaltungsprogramm versuchen die Reedereien zwar alles, damit keine Langeweile aufkommt, und insbesondere auf größeren Schiffen gibt es hier sehr viele Optionen, doch werden manchen die häufigen Ausflüge an Land fehlen.
Lange Reisedauer, nur ein Termin
Man muss es mögen, unter Umständen über zwei Wochen an Bord zu bleiben, und man muss zeitlich flexibel sein. Während die meisten Turnuskreuzfahrten im Wochen- oder 10-Tages-Rhythmus stattfinden, gibt es für eine Überführungskreuzfahrt nur einen Termin.
Komplizierte Reiseplanung
Da Überführungskreuzfahrten nur one-way durchgeführt werden, müssen Hin- und Rückreise gesondert organisiert werden. Sofern die Reederei kein entsprechendes Arrangement anbietet, kann der Gang ins Reisebüro helfen, zumal je nach Flugzeiten noch eine Extra-Übernachtung eingeplant werden muss (oder man verlängert den Aufenthalt am Abfahrts- oder Zielort ganz individuell). Aber Vorsicht: One-way-Flugtickets, speziell nach Asien oder über den Atlantik, können ziemlich teuer sein und damit die vermeintliche Kostenersparnis bei der Überführungskreuzfahrt schnell wieder zunichtemachen.
Wind und Wetter
Manche Seereisen weisen, je nach Reisezeit und Route, ihre ganz eigenen Tücken auf. So kann die Überquerung des Atlantiks im Gegensatz zur Sonnentour durchs Mittelmeer schon mal recht ungemütlich werden. Abgesehen von dem Wetter auf hoher See können auch die Temperaturen zwischen Abfahrts- und Ankunftsort deutlich auseinanderliegen. Eine ausführliche Recherche vor der Abfahrt hilft beim Kofferpacken enorm weiter, will man stets die passende Kleidung zur Hand haben. Zudem sollte gegebenenfalls ein Mittelchen gegen Seekrankheit in der Reiseapotheke nicht fehlen; notfalls hilft aber gern der Schiffsarzt aus.
Womöglich sind es gerade diese und weitere Faktoren, die abenteuerlustige Schiffsfreunde an einer Überführungskreuzfahrt schätzen. Wer sich also gerne an Bord eines Schiffs aufhält oder das Gefühl einer transatlantischen Reisen in Zeiten vor dem modernen Flugverkehr nachempfinden möchte, kann diesen Leidenschaften frönen – und das im Idealfall sogar für richtig kleines Geld.