Progressive französische Küche: Im Gourmettempel Tru in Chicagos Innenstadt kann man sich kulinarisch auf hohem Niveau verwöhnen lassen. Das Restaurant von Sterne-Koch Anthony Martin ist eines von vielen Beispielen dafür, wie sich die Millionenmetropole am Lake Michigan immer stärker zu einem Mekka für Feinschmecker und Genießer entwickelt, das es locker mit den anderen Metropolen aufnehmen kann. In modernem Ambiente mit schönen Kunstwerken (Gerhard Richter, Andy Warhol, Ed Ruscha…) wurde uns im vergangenen Sommer ein Marathon an Köstlichkeiten kredenzt. 14 Gänge umfasste das Menü, wobei ein jeder von einem passenden Wein begleitet wurde. Viel Zeit zum Verschnaufen oder Verarbeiten zwischen den einzelnen Speisen blieb da naturgemäß nicht, was fast schon schade war, denn auch mit dem Wein kommt man irgendwann nur noch mit Mühe hinterher (von dem hochkarätigen Schwips einmal ganz abgesehen, den man sich angesichts der großzügig gefüllten Gläser garantiert holt). Aber egal, die Kreationen waren ein echter Genuss, ebenso ihre bisweilen extravagante Präsentation, bei der man es schon mal bedauerte, mit Messer und Gabel in das dargereichte kulinarische Kunstwerk eingreifen zu müssen. Da konnte es durchaus passieren, dass ein Holzscheit, eine Steinplatte oder ein bemoostes Stück Baumrinde als Tellerersatz dienen.
Zu den Favoriten an unserem Tisch zählte die tagesfrische Jakobsmuschel mit Hon Shimeji-Pilz, Ingwer, Koriander und einem Spritzer Limone, die obenauf in einer bis zum Rand mit gecrushtem Eis gefüllter Glasschale lag, in der eine stimmungsvoll glimmende LED-Leuchte verborgen war. Pilze von Maitake bis Shiitake, Karottensuppe mit Geschmacksnuancen von Orangen und Kardamom, in Salz gebackener weißer Spargel mit Trüffel-Sabayon, schottischer Lachs, Kalbsfleisch in Sojaglasur oder eine Selektion von Valrhona-Schokoladen sorgten neben vielem mehr für ein wahres Geschmacksfeuerwerk. Fast schon zu viel des Guten, zumal dank süßer Leckereien zum Kaffee und einem Küchlein zum Abschied jedes etwaige noch vage bestehende Hungergefühl endgültig zum verstummen gebracht wurde.
Wer im Tru nicht dem Menü folgen möchte, speist Kaviar à la carte. Neun verschiedene Spielarten der schmackhaften Fischeier weist die aktuelle Kaviar-Karte auf. Auch beim Wein darf man wählerisch sein. 1.500 edle Tropfen lagern im Keller des ganz in der Nähe von Chicagos nobler Einkaufsstraße Magnificent Mile gelegenen Restaurants.
Anthony Martin versteht zweifellos sein Handwerk. Schon als Kind soll der aus Ohio stammende Küchenstar Mutter und Großmutter zur Hand gegangen sein und dabei erste Raffinessen erlernt haben. Nach Stationen in Cleveland, Atlanta und Las Vegas kam er 2008 nach Chicago und eröffnete Tru. Mit großem Erfolg. Die Chicago Tribune wählte ihn zum „Koch des Jahres“, der Guide Michelin dekorierte ihn mit einem Stern, Mobil mit vieren, und von AAA gab es fünf Diamanten. Wer also bei einem Chicago Besuch seinem Gaumen etwas Außergewöhnliches gönnen möchte, ist hier zweifelsfrei bestens aufgehoben.