Das Land, auf das ich von Anfang an am meisten gespannt bin und vor dem ich gleichzeitig auch den meisten Respekt habe, ist Samoa. Die noch recht patriarchalisch geprägte Inselgruppe ist das nördlichste unserer Reiseziele und zwar touristisch erschlossen, die erste Wahl für Neuseeländer oder Honeymooner aus aller Welt ist es aber definitiv nicht. Auf unserem Flug sind wir augenscheinlich die einzigen Touristen. Das fasst die Lage für die nächsten Tage in Samoa recht gut zusammen, auch wenn die Hochsaison für Touristen generell eher um die Weihnachtsfeiertage herum liegt und wir damit gerechnet haben, nicht allzu viele Touristen zu treffen. In der Eingangshalle warten eine Band und viele Verwandte, und die Stimmung ist sehr ausgelassen. Tatsächlich ist das wahrscheinlich die fröhlichste Einreise, die wir auf allen Inseln mitbekommen.
Auf dem langen Weg vom Flughafen in die Hauptstadt Apia ist unser Taxifahrer glücklicherweise sehr auskunftsfreudig und erklärt uns vieles. Wir kommen an einem riesigen weißen Bauwerk vorbei, und er erklärt uns, das sei der Mormonentempel. Samoa setzt in Bezug auf die bisher gesehenen Kirchen sowieso noch einen drauf – im positiven Sinn.
Wir kommen abends an unserer Unterkunft (mit Klimaanlage!) an und gehen direkt los zum Abendessen. Fündig werden wir bei einem indischen Expat, der in seinem kitschig lila gestrichenen Restaurant das beste indische Essen serviert, das wir je gegessen haben (oder einfach nur das erste seit Monaten?). Im Fernsehen läuft Rugby und das Restaurant ist gut besucht für die Uhrzeit, nur der Heimweg ist ein bisschen unangenehm, da es aufgrund der spärlichen Straßenbeleuchtung recht dunkel ist.
Am nächsten Tag schauen wir uns in Apia um. Morgens regnet es noch und auf vielen Straßen steht knöchelhoch oder sogar höher das Wasser. In Apia gibt es einen Markt zu sehen (für den wir endlich mal pünktlich sind) und auf dem gekühlte Kokosnüsse, Obst und Gemüse und sonstige regionale Lebensmittel angeboten werden. Fleisch und Fisch nicht, denn im Gegensatz zum Markt in Papeete gibt es auf diesem Markt keine Kühltische.
In Apia gibt es außerdem eine große Busstation, wo ehemalige amerikanische Schulbusse bunt bemalt darauf warten, in ihr namensgebendes Dorf zu fahren. Ansonsten steht an Samoas Hafen eine wunderschöne Kirche, die mich nachhaltig beeindruckt, auch wenn ich sie nur von außen gesehen habe. An ihr kommen wir vorbei, als wir zum Cultural Village laufen, wo Samoaner*innen ihr tägliches Leben präsentieren: traditionelle Tänze, Tattoo-Kunst, Kochen und Handwerksarbeiten werden hier ausgestellt und in einer sehr lustigen Präsentation vorgetragen.
Wir holen wie vorher vereinbart unser Auto bei einem Schweizer Hotelier ab und erwarten einen weiteren Kleinwagen. Stattdessen bekommen wir einen SUV mit Allrad-Antrieb, was sich an diversen Stellen des Straßennetzes als Glücksfall erweist. Für den Mietzeitraum wird uns sogar ein samoanischer Führerschein ausgestellt, denn der internationale Führerschein, den wir natürlich vor Abreise haben ausstellen lassen, wird hier nicht akzeptiert. Tatsächlich kommen wir in eine Polizeikontrolle und müssen das Stück Papier, das wir davor noch so belächelt hatten, vorzeigen.
Samoa besteht aus zwei Hauptinseln und wir fahren zunächst direkt zur Fähre nach Savai’i, die –ein paarmal täglich die knapp 13 Kilometer zwischen den Inseln hinter sich bringt. Auf der Straße zur Unterkunft werden wir von einer Kuhherde aufgehalten, die gerade die Straße überquert.
Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Preises und in Ermangelung besserer Alternativen übernachten wir für einige Tage in einem Hotel (das sich zwar selbst als Resort bezeichnet, aber so weit würde ich nicht gehen). Unser Zimmer ist eine zum Wasser offene Hütte mit kleiner, überdachter Terrasse. Abends nehmen wir an einer sogenannten Fia Fia Night teil, bei der wir traditionell samoanische Tänze und Gerichte genießen können. Zu unserem Entsetzen werden die Zuschauer mit in die Tänze einbezogen und wir finden uns jeder mit den Samoaner*innen auf der Bühne, wo wir – wie alle anderen Touristen auch – mehr schlecht als recht versuchen, die kompliziert-eleganten Verrenkungen nachzumachen.
Am nächsten Tag umrunden wir die Insel und besuchen einsame Strände im Osten und die Blowholes im Süden der Insel. Hier gibt es kein Riff und die Wellen rollen ungebremst auf die Steinküste zu – durch unterirdische Tunnel schießt dann senkrecht Meerwasser in die Luft, was sehr beeindruckend aussieht und eine beliebte Attraktion ist, auch wenn die (nicht getroffenen) Sicherheitsvorkehrungen dem ein oder anderen Unwohlsein bescheren dürften.
Auf Samoa liegen Sehenswürdigkeiten oft auf dem Land einer Familie oder eines Dorfes, die für die Nutzung bzw. Besichtigung eben dieses einen Obolus erhebt. Oft muss man sich den Weg über das weitläufige Grundstück selbst suchen und im Fall der Blowholes führt nur eine enge sandige Straße in die ungefähre Nähe, sodass man danach mühsam mit tausenden Zügen das große Auto wenden muss.
Beim Fahren über die Insel sammeln wir interessante Eindrücke. Auf Samoa gibt es ein ganz anderes Konzept von Wohnraum und Privatsphäre, als wir es auf den anderen Inseln gesehen haben. Die Häuser sind auf kleinen Pfählen fast kreisförmig gebaut und an den Seiten offen. Innen sind sie mit Matten ausgelegt, ansonsten gibt es kaum Möbel. Das offene Konzept liegt auch im weiter gefassten Familienbegriff in Samoa begründet, wie wir später lesen, aber außerdem bleibt die Hütte so gut durchlüftet.
In genau so einer Hütte direkt am Strand schlafen wir einige Tage später auf einer vorgelagerten Insel, auf der es nur ein paar Hütten für Touristen, ein paar Waschräume und eine Essstelle gibt. Nach dem Abendessen verlassen die Angestellten die Insel und man bleibt allein mit den anderen Gästen – in unserem Fall ein junges australisches Pärchen – und dem Hund der Besitzer zurück. Das ist alles sehr aufregend, weil es leichtes Robinson Crusoe-Feeling hat – bis es dunkel wird. In der Dämmerung fliegen tausende Fledermäuse kreischen auf die Hauptinsel zur Nahrungssuche, was ein beeindruckender Anblick ist. Sobald sie alle weg sind, fällt auf, wie dunkel es inzwischen geworden ist – und da es auf der Insel kein Licht gibt, gehen wir früh schlafen.
In den nächsten Tagen wandern wir ins Inselinnere oder an der felsigen Küste entlang. Ein Highlight ist der To Sua Ocean Trench. Mitten in einem üppig-grünen Garten liegt plötzlich ein mit Wasser gefülltes, 30 Meter tiefes Loch, in das man über eine hohe Leiter einsteigen kann. Dieser riesige Naturpool ist über Gänge mit dem nahen Ozean verbunden, was auch für ein lustiges Auf und Ab mit jeder Welle führt. Außerdem besichtigen wir mehrere Wasserfälle und das Schauspiel der aufbrausenden Wellen an der Westküste, das uns sehr beeindruckt. Die letzten Tage auf der Insel verbringen wir im wohl gehobensten Domizil der gesamten Reise – man darf sich auch mal was gönnen. Wir schlafen zum letzten Mal in einer Hütte direkt am Strand und kommen noch einmal in den Genuss einer Fia Fia Night, die uns allein schon deshalb besser gefällt, da sie am Strand und nicht in einem kahlen Frühstücksraum stattfindet.
Und dann ist unser Abenteuer auch schon vorbei. Wir geben dem Schweizer – der verbissen englisch mit uns spricht, obwohl er uns allein schon anhand unserer Führerscheine definitiv als Deutsche erkennt – das Auto zurück und flanieren anschließend ein letztes Mal über den Markt. Eine letzte frische Kokosnuss und eine Packung Tarochips später ist es auch schon Zeit für den Weg zum Flughafen. Der Flug nach Auckland ist nur spärlich besetzt – aber wer würde hier auch wegwollen?
Die Zeit in den drei Inselstaaten und zahlreichen Inseln ist eine meiner liebsten Erinnerungen. Glücklicherweise haben wir uns damals dafür entschieden, hierher zu kommen, statt an die Goldküste Australiens zu fliegen. Ich weiß nicht, ob es mir die ewig lange (und teure) Reise aus Deutschland wert gewesen wäre – aus Neuseeland lohnt es sich aber definitiv