2017 / 2018 habe ich mit einem Freund sechs Monate in Neuseeland verbracht, die letzten zwei Monate davon verdienten wir uns als Aushilfe in einem Restaurant etwas Geld zur Erfüllung unseres nächsten Reisetraums.
Ein Blick auf die Weltkarte zeigte uns ziemlich schnell drei Optionen, die von Neuseeland aus gut erreichbar sind. Australien war wohl die bekannteste und wortwörtlich auch naheliegendste. Aber irgendwie reizte uns das Land der Kängurus und Koalas nicht, obwohl uns sogar eine Freundin zum Abschluss ihres Australien-Aufenthalts besucht hatte und aus dem Schwärmen gar nicht mehr herausgekommen war.
Asien lag natürlich auch verhältnismäßig nah – was ist schon wirklich nah, wenn man von „da unten“ startet? – aber hier kam uns der Gedanke, dass man nach Thailand, Bali und Co. auch von Deutschland aus reisen kann, und das sogar sehr gut.
Dann also die Idee: Polynesien. Schon während unseres Aufenthaltes hatten wir ein paar Mal mit Neuseeländern gesprochen, die ihren Sommerurlaub – wohlgemerkt über Weihnachten – gerne auf den Fidschi-Inseln verbringen. Die pazifische Insel liegt etwa drei Flugstunden nördlich von Neuseeland und damit außerhalb des polynesischen Dreiecks, das von Hawaii im Norden, den Osterinseln im Südosten und Neuseeland im Südwesten gebildet wird. Im Verlauf unserer Reise hatten wir immer wieder von Polynesien gehört: die Maori, die Ureinwohner Neuseelands, sind vor rund 800 Jahren aus Polynesien nach Neuseeland gesegelt und verschiedene Museen über die Maori-Kultur informieren heute über mögliche Routen und Ursprünge.
Und so fiel die Entscheidung recht schnell: für uns sollte es auch nach Polynesien gehen! Zwar nicht über Weihnachten, sondern im Mai, aber angesichts des Wetters, das in Neuseeland gerade vom Herbst in den Winter überging, erschien uns ein sonniger Urlaub gerade richtig. Und angesichts der fast 24 (!) Flugstunden, die man allein von Paris aus nach Tahiti, das Herz Polynesiens braucht, war Neuseeland auch der perfekte Startpunkt für dieses Abenteuer – denn von dort aus braucht man zwischen 3 und 9 Stunden, je nachdem, wo es hingehen soll.
Überraschenderweise gibt es relativ viele, regelmäßige Flüge zu und sogar zwischen den polynesischen Inseln. Nach tagelangem Tüfteln stand unsere perfekte Route fest. Fast vier Wochen wollten wir Polynesien entdecken, erst sollte es auf die Cookinseln, dann nach Französisch-Polynesien und dann nach Samoa gehen. Den schon gebuchten Flug nach Tonga mussten wir leider canceln, da die Inseln kurz nach der Buchung vom schwersten Wirbelsturm seit 60 Jahren getroffen wurden. Tonga wäre von vornherein von all diesen Inseln die am wenigsten touristische gewesen und wir entscheiden uns nach langer Überlegung gegen einen Besuch.
Zur Reisevorbereitung gehörte auch ein Arztbesuch, bei dem Impfungen aufgefrischt werden mussten. Zudem statteten wir uns in einem Laden für Outdoor-Ausrüstung mit Moskitonetzen und Moskitospray aus. Beides war schwerer zu bekommen als gedacht, beides war teurer als gedacht, aber beides werden wir täglich nutzen, wie wir bald sehen werden.
Wir starten planmäßig von Auckland nach Rarotonga, Hauptinsel der Cook Islands, knapp vier Flugstunden nordöstlich von Neuseeland mitten im Pazifik. Aufgrund des Einfuhrverbots für Lebensmittel trennen wir uns vorsorglich von den zwei Tüten Uncle Ben’s, die eigentlich unser Abendessen hätten werden sollen. Es interessiert sich schlussendlich niemand dafür. Am Ziel werden dann alle mit einer Blumenkette, Gesang und Ukulele begrüßt, was die Stimmung wieder hebt. Es gibt bei der Einreise keine Schwierigkeiten, die Währung ist ebenfalls der Neuseeland Dollar und es haben sich sogar einige bessere Hotels angesiedelt.
Unsere Unterkunft liegt etwas abseits der Touristenregion (wenn man bei einer nur 67 km2 großen Insel überhaupt von abseits sprechen kann). Mit nur 31 Kilometern Umfang ist auf dem Eiland alles mehr oder weniger schnell fußläufig zu erreichen, ansonsten fahren zwei Busse stündlich in entgegengesetzte Richtungen um die Insel. Bei einer runden Insel fährt aber letztendlich jedes Auto in die richtige Richtung und so machen wir schon bald unsere erste Erfahrung als Anhalter auf einer Pickup-Ladefläche. Wir lassen uns zu einem beliebten Strandlokal fahren. Hier gibt es Fisch-Sandwiches, die unglaublich lecker sind. Es ist für uns der erste Fisch seit Monaten, aber unser Omega3-Haushalt wird in den nächsten Wochen so dermaßen aufgefüllt werden, dass wir am Ende der vier Wochen schon fast gar keinen Fisch mehr sehen können.
Vom erträumten tropischen Paradies sehen wir in den ersten Tagen kaum etwas, es ist bewölkt und regnerisch, trotzdem sehr warm und das Wasser türkisblau. Wir hoffen also trotzdem auf etwas Sonnenschein. Später stellen wir fest: auf den polynesischen Inseln gibt es – zumindest zu dieser Jahreszeit – selten prallen Sonnenschein, meistens ist es leicht bewölkt. Aber irgendwann muss der Regen, der die Natur so üppig und grün hält, ja auch kommen.
Um fünf Uhr morgens beginnen die Hähne auf dem Grundstück nebenan zu krähen. Was wir zunächst noch als „ungünstige Lage“ abtun, wird schnell zur neuen Realität: Hühner laufen auf den meisten Inseln mehr oder weniger frei herum und wecken dann jeden in der Nähe ihres Nachtlagers. Vorteil: morgens ist die Luft noch vergleichsweise frisch. Für uns Stadtkinder ist das Wecken durch einen Hahn trotzdem eine neue Erfahrung. Und nachdem wir abends ungefähr eine Stunde gebraucht haben, um die Moskitonetze anzubringen, auch eine sehr ermüdende.
In den ersten Unterkünften haben wir die komplizierte Anbringung unserer Netze noch auf die Unterbringung selbst geschoben. Nach einiger Zeit fällt uns dann auf, dass die Polynesier grundsätzlich viel entspannter mit der Bedrohung durch Denguefieber umgehen als wir, und dass es deshalb nicht zur Standardausstattung eines Zimmers gehört, einen Nagel etwa in der Mitte des Betts in die Decke zu schlagen, damit ängstliche Europäer ihre Netze aufhängen können. Andererseits werden wir von Mal zu Mal kreativer (und schneller) mit unserer Technik und schlafen bis zum letzten Tag konsequent nur mit schützendem Netz.
Wir erkunden die Insel; besuchen den Wochenmarkt, trinken tropische Smoothies und sehen der Show der Kindertanzschule zu, in der junge Cook Islander bereits von früh an die Traditionen ihrer Vorfahren vermittelt bekommen. Wir wollen eigentlich eine Wanderung durchs bergige Inselinnere machen, doch die Strecke ist wegen heftiger Regenfälle gesperrt. Stattdessen unternehmen wir – sogar bei Sonnenschein – eine Bootstour. Es ist die erste von vielen. Die Cruise führt auf eine kleinere, innerhalb der Lagune liegende Insel, auch motu genannt, wo wir Gelegenheit zum Schnorcheln mit den tropisch-bunten Fischen abseits vom Strand haben. Untermalt wird das Ganze von Gesang und Ukulele. Besonders interessant macht diese erste Cruise das Glasbodenboot, das während der Fahrt den Blick auf das bunte Treiben am Meeresboden freigibt.
Unser nächster Stopp ist Aitutaki. Die Insel gehört ebenfalls zu den Cook Inseln und liegt – man glaubt es kaum – noch viel weiter im Nirgendwo. Auch der Anblick unseres Flugzeuges beunruhigt mich: es sieht etwas in die Jahre gekommen aus, an einer Stelle löst sich der Teppichboden, man kann die darunterliegende Elektronik erkennen. Leider machen die lauten Propeller jegliche Versuche, zur Ablenkung zu lesen oder Musik zu hören, komplett unmöglich. Eigentlich habe ich keine Flugangst, aber dieser Flug wird mir immer in Erinnerung bleiben. Wir erreichen Aitutaki am frühen Abend und kommen grade rechtzeitig an, um den schönsten Sonnenuntergang zu bewundern, den ich je gesehen habe. Endlich sind wir in dem tropischen Paradies angelangt, das jeder im Kopf hat, wenn er an Sandstrände, türkisblaues Wasser und Palmen denkt.
Mit Fahrrädern erkunden wir die Insel, essen French Toast, erklimmen die höchste Spitze der Insel (die ganze 124 m hoch ist) und pflücken eine Kokosnuss, die später mit einer Axt geöffnet wird. Auf Aitutaki machen wir auch unsere erste Erfahrung mit dem polynesischen Nationalgericht Ika Mata. Grundsätzlich erinnert das Ganze an grobes Thunfisch-Tartar, das in Kokosmilch und Limettensaft zusammen mit Gemüsewürfeln (Karotten, Zwiebeln, Paprika, Gurke) zieht. Dazu gibt es Pommes frites aus Taro. Taro ist eine der wenigen Pflanzenarten, die in dem feuchten nährstoffhaltigen Boden wachsen können. Der Mix aus dem zarten Thunfisch, der Kokosnuss und der säuerlichen Limette ist überraschend und vor allem überraschend lecker.
Auch auf Aitutaki machen wir eine Bootstour durch die fast dreieckige Lagune, in der L-förmig die Hauptinsel liegt. Auf dem kleinen One-Foot-Island kann man sich als Souvenir sogar einen Stempel in den Pass geben lassen. Später dürfen wir wieder schnorcheln, und bewundern die vielen tropischen Fische und die Giant Clams – riesige Muscheln, deren Öffnungen grün oder blau verfärbt sind.
Nach einem deutlich entspannteren Rückflug sind wir wieder auf Rarotonga. Unsere restlichen zwei Tage sind unentspannt: unsere Unterkunft ist überbucht, wir werden für eine Nacht ausgelagert. Als Entschädigung wird uns eine Fahrt zum Flughafen angeboten, die wir natürlich gerne annehmen, auch wenn die Erfahrung mit der Vermieterin insgesamt etwas merkwürdig ist (das Continental Breakfast bestand aus einer Dose Spaghetti).
Eine Antwort auf Inselhopping im Pazifik – Teil 1: Cookinseln