Wer diese Hamburger Kult-Attraktion noch an ihrem angestammten, wenn auch nicht ursprünglichen, Platz erleben möchte, muss sich beeilen. Im Juli, so der Plan, soll Harry’s Hafenbasar aus dem Gebäude inmitten von St. Pauli auf ein Boot umziehen – eine Aufgabe, um die Museumsdirektor Dr. med. Gereon Boos und sein Team nicht zu beneiden sind. Sie haben viele Umzugskisten zu packen. Denn Erdgeschoss und Keller des derzeitigen Domizils in der Erichstraße, am Rande des Rotlichtbezirks sowie in der Nähe zur Reeperbahn und der berüchtigten Herbertstraße, sind vom Fußboden bis unter die Decke vollgestopft mit Masken, Schnitzereien, ausgestopften Tieren, Wandteppichen, Schilden, Statuen, magischen Ritualgegenständen, Kunsthandwerk, Trommeln und vielem mehr aus aller Welt – nach keiner erkennbaren Ordnung zusammengetragen, aufgestellt und aufgehängt. Selbst die Waschräume haben längst ihre ursprüngliche Funktion verloren und dienen als Präsentationsfläche, durch die man sich, wie überall im Hafenbasar, durchzwängen muss, so eng sind die Gänge durch die Menge an Ausgestelltem geworden. Anfassen ist strikt untersagt, denn zum Teil handelt es sich bei den Stücken um wertvolle Unikate – doch gelingt es wohl keinem Besucher, sich durch die 400 Quadratmeter zu quetschen, ohne etwas zu streifen oder gegen etwas zu stoßen.
Dieses Sammelsurium von mehreren tausend (Oder zehntausend? Hier macht bestimmt niemand freiwillig Inventur) Objekten ist eine mutige Mischung aus Laden, Museum und Aufklärungsstätte über fremde Kulturen und Völker. Man sollte sich bei einem Besuch Zeit nehmen, denn zunächst wird man von der schieren Masse der Werke regelrecht erschlagen. Mit der Zeit aber gewöhnt man sich daran und der Blick fällt gezielt auf einzelne Stücke – hier eine Meeresjungfrau inmitten einer Gruppe finster dreinblickender afrikanischer Gottheiten, dort ein Schrumpfkopf in fröhlicher Eintracht mit einem Buddha und andernorts ein kitschiger Glaswecker, auf dem groß die Aufschrift „Made in USSR“ prangt. Gerade die unzähligen Arbeiten aus Afrika können für manchen zunächst befremdlich wirken, doch nimmt die Faszination zu, je länger man sich in den Räumen des Hafenbasars aufhält. Und dabei ist das noch nicht alles. Laut Gereon Boos befindet sich im Außenlager noch einiges mehr. Das meiste, das es zu sehen gibt, kann man kaufen. Lediglich einige besonders wertige Exponate sollen dauerhaft verbleiben.
Mit dem Hafenbasar setzt Boos eine Tradition fort, deren Wurzeln bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen, als Käpt’n Haase eine Kneipe eröffnete, in der er ausstellte, was Freunde ihm mitbrachten, wenn sie mit Schiffen über die sieben Weltmeere fuhren. Harry Rosenberg, selbst ein ehemaliger Seemann, der aber aus gesundheitlichen Gründen an Land bleiben musste, übernahm in den 1950er Jahren den Nachlass von Haase und sammelte weiter, was ihm befreundete Seeleute zutrugen und stellte es in seinem Hafenbasar aus. Rosenberg starb im Jahr 2000, dessen Tochter 2011 und von deren 17-jähriger Erbin übernahm schließlich der HNO-Arzt und frühere Entwicklungshelfer Gereon Boos den Hafenbasar. Schon einige Male drohte dieser gewiss einmaligen Kollektion im Laufe der Jahre das wirtschaftliche Aus. Es bleibt zu hoffen, dass sie an ihrem neuen Standort Erfolg hat. Es ist allen Beteiligten nur zu wünschen, zumal Hamburg andernfalls eine exotisch schön skurrile Attraktion verlieren würde.
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