Erlenbachs einzigartige Tierwelt: Wir nannten ihn Zebresel

Zebresel, Naturhistorisches Museum Mainz / Landessammlung für Naturkunde Rheinland-Pfalz (Foto: Bettina Henrich)

Naturhistorisches Museum Mainz (Foto: Bettina Henrich)

Fremde Kulturen und Traditionen entdecken, in die Natur ferner Länder eintauchen und atemberaubende Ausblicke genießen: Erlebnisse, die sich ein Leben lang in unsere Köpfe brennen, sind auf Reisen vorprogrammiert. Denke ich an besondere Momente vergangener Urlaube zurück, gibt es da aber noch einen gemeinsamen Nenner – Tiere. Je bunter, seltener und wilder desto besser! Heute geht es aber nicht um ein Bad majestätischer Elefanten, diebische Affen am Strand, durch den Ozean schwebende Mantas oder Mondfische mit Heißhunger auf das perfekte Frühstücksei. Heute geht es um das wohl außergewöhnlichste Tier, dem ich jemals begegnen werde: einer Eseldame, die es faustdick hinter den gestreiften Ohren hatte.

Wir schreiben das Jahr 1979, als im Erlenbacher Tierpark, dem wohl exotischsten Ort des Odenwaldes, nahe des Städtchens Fürth, eine heimliche Liebschaft für ordentlich Furore sorgt. Ein stattlicher Eselhengst wagt den Sprung in eine neue Liebschaft und landet im angrenzenden Zebragehege. Beeindruckt von solcher Forschheit lässt sich die Angebetete, eine junge Steppenzebrastute, kurzerhand auf ein Techtelmechtel ein. Als jugendliche Schwärmerei abgetan, wurden die Liebenden alsbald getrennt, das kurze Treffen sollte jedoch nicht ohne Folgen bleiben. Etwa ein Jahr später, der Vorfall war beinah in Vergessenheit geraten, erblickte ein Eselfohlen das Licht der Welt. Keine Seltenheit im Tierpark, diesmal wurde das weibliche Eseljunge allerdings im Zebrastall geboren. Obwohl Kopf und Statur deutlich an die eines Esel erinnerten, war die Verwandtschaft mit der gestreiften Mutter an Beinen und Nacken des Zebroid Fohlens unverkennbar. Zum besseren Verständnis, schließlich wusste man damals im Odenwald nichts mit einem gestreiften Esel mit wildem Temperament anzufangen, nannte man die Hybridstute fortan Zebresel.

Nach 29 glücklichen Jahren im Eselgehege des Bergtierparks erlag die Stute 2009 der Altersschwäche. Die Überreste des Tieres wurden präpariert und sind seither als kunstvolle Dermoplastik im Naturhistorischen Museum in Mainz ausgestellt. Das Zebresel, dessen korrekte Bezeichnung nach dem Muster, dass bei Hybriden der Vater zuerst genannt wird, eigentlich Ebra lautet, ist wahrlich eine Besonderheit. Wie die meisten Hybride sind auch Zebroide unfruchtbar und Fohlen einer Zebrastute sind wegen des aggressiveren Paarungsverhaltens der Zebras noch viel unwahrscheinlicher als solche einer Eselstute. Laut der zoologischen Präparatorin des Museums, Bettina Henrich, ist das Ebra-Präparat deutschlandweit einzigartig. Vielleicht sogar weltweit, ihr selbst seien überhaupt nur drei Fälle von gezeugten Ebras auf der Welt bekannt.

Zebresel, Naturhistorisches Museum Mainz / Landessammlung für Naturkunde Rheinland-Pfalz (Foto: Bettina Henrich)

Zebresel, Naturhistorisches Museum Mainz / Landessammlung für Naturkunde Rheinland-Pfalz (Foto: Bettina Henrich)

Aber wie das nun mal mit Besonderheiten so ist, die direkt vor den eigenen Nasen liegen: Was für eine Sensation 29 Jahre im heimischen Bergtierpark lebte, war wohl nur den wenigsten Besuchern bewusst. Mir zumindest wurde es erst bei der vielbesuchten Ausstellung „Die Rückkehr einer Sensation“ klar, als das ausgestopfte Zebresel im August 2017 als sechswöchige Leihgabe des Mainzer Naturhistorischen Museums temporär in seine Heimat den Erlenbacher Tierpark zurückkehrte. Doch auch ohne die ins Herz geschlossene, gestreifte Besonderheit lohnt sich ein Besuch allemal. Wer weiß, was man zwischen den neugierigen Jungtieren zu entdecken vermag, schließlich kann man nie sicher sein, wo die Liebe als Nächstes hinfällt.

 

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